Alternativen zu Lego, als es nur Lego gab.

Das dänische Unternehmen Lego besaß bis 1978 in vielen Ländern ein Patent auf seine Steine. Allerdings nicht auf den Stein an sich. Den hatte Lego nicht selbst entwickelt, sondern 1949 von der britischen Firma Kiddicraft kopiert und nur leicht abgeändert. Das Patent des Unternehmens aus Billund bezog sich auf eine entscheidende Weiterentwicklung. Es ging um die Röhren an der Unterseite des Steins. Bis zu dieser Idee von Godtfred Kirk Christiansen, dem Sohn des Firmengründers Ole Kirk, waren die Steine von unten einfach nur hohl. Durch die Röhren erhöhte sich die Klemmkraft bedeutend und es wurden neue Bautechniken möglich.

Da aber die Idee des Klemmbausteins als solche nicht geschützt war, konnten andere Unternehmen prinzipiell Konkurrenzprodukte zu den Lego Steinen anbieten. Sie durften nur eben nicht das Patent von Lego verletzen.
Und auch wenn Lego bis etwa 2010 für viele der einzige Hersteller dieses beliebten Spielzeugs zu sein schien, gab es in der Tat schon vorher Konkurrenz. Hier soll es jetzt um ein paar dieser alternativen Klemmbausteinhersteller gehen, in Zeiten, in denen es eigentlich nur Lego gab.

Ein Modellbauer auf “Abwegen”.

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Die Firma Airfix kommt aus dem eigentlichen “Mutterland” des Steins, den wir heute als Lego Stein kennen. Der ungarischen Geschäftsmann Nicholas Kove gründete die Airfix Products Ltd. 1939 in London. Zu Beginn stellte das Unternehmen aufblasbares Gummispielzeug her. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg es allmählich auf den Spritzguss von Kunststoff um. Wurden anfangs noch Kämme hergestellt, wechselte die Produktion schnell auf die Herstellung von Modellbausätzen. Die erfolgreichste Zeit von Airfix waren die 60er und 70er Jahre. In diese Zeit fiel auch die Einführung ihrer Klemmbausteinserie “Betta Bilda” 1961.

Sicherlich auch inspiriert vom Erfolg von Lego, ergänzte Airfix sein Spielzeugprogramm um Klemmbausteine. Sie waren jedoch nicht mit dem Konstruktionsspielzeug aus Dänemark kompatibel. Die Steine gab es in verschiedenen Längen, jedoch immer eine Noppe breit. Damit vermied Airfix das Problem, welches Lego mit den patentierten Röhren gelöst hatte. Zudem kam das Unternehmen auch nicht die Gefahr, das Patent von Lego zu verletzen.
Neben den Steinen, die es anfangs übrigens nur in weiß, später auch in rot, gab, enthielten die Sets Fenster sowie Dachelemente in Form von ineinandersteckbaren Dachschindeln. Natürlich gab es zudem Platten in verschiedenen Größen.
Zu den Standardelementen kamen im Laufe der Zeit ein paar Sonderformen wie runde Steine, Räder oder Achsen. So war es möglich, mit Betta Bilda auch Fahrzeuge zu konstruieren. Allerdings blieb der Fokus der Sets primär bei der Architektur.

Auch wenn Airfix mit seinen Klemmbausteinen einen bescheidenen Erfolg verbuchte, kam das britische Unternehmen nie gegen die Konkurrenz aus Dänemark an. Bereits in den 70er Jahren wurde die Produktion von Better Bilda wieder eingestellt.

Die Firma Airfix kam ein Jahrzehnt später in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 1981 vom US-amerikanischen Konzern General Mills aufgekauft. Noch heute stellt die Firma Airfix Plastikmodell her. Mittlerweile allerdings unter dem Dach des britischen Unternehmens Hornby Hobbies Ltd.

Von der Schutzkappe zum Stein.

Anfangs als Händler für Spielzeug, wurde 1952 in Japan das Unternehmen Kawada Co., Ltd. gegründet. Damals noch unter dem Namen Kawada Shoten LLC. Das Unternehmen wurde 1960 umorganisiert und bekam seinen neuen Namen. Es verkaufte nicht mehr nur Spielzeug, sondern stellte es nun selber her. Von 1962 an auch Klemmbausteine unter dem Namen “Diablocks”.

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Sehr interessant ist die Entstehungsgeschichte der Klemmbausteinserie von Kawada. Üblich war früher in japanischen Grundschulen, dass Bleistifte für den Transport mit Kappen vor Beschädigung geschützt wurden. Der Vorgänger der Diablocks war so eine Kappe. Beziehungsweise eine Doppelkappe für zwei Stifte. In der Form erinnerte sie bereits ein wenig an einen nach oben extrem in die Länge gezogenen 1×2 Klemmbaustein.
Nachdem bereits viele dieser Kappen produziert worden waren, stellte sich heraus, dass sie sich nur schlecht verkauften. Kawada suchte also nach einem neuen Verwendungszweck.

In diesem Prozess stellte sich heraus, dass sich die Kappen gut ineinander stecken ließen. Man konnte mit ihnen sehr leicht verschiedene Objekte bauen. Das kam damals sehr gut bei den Kindern an. Allerdings wurde schnell klar, dass diese eine Form viel zu wenig für komplexere Bauwerke war. Also entwickelte Kawada die Form der Kappen weiter und brachte schließlich die Diablocks mit Steinen in verschiedenen Größen auf den Markt. Das Grundprinzip der Steine war dem von Lego relativ gleich. Allerdings waren sie nicht mit denen aus Dänemark kompatibel. Statt der Röhren des Steins aus Billund, besaßen die Diablocks an der Unterseite zwei längs laufende Kunststoffstege.
Auch in den USA gab es die Steine aus Japan. Die Firma Entex Industries verkaufte sie in den 70ern und 80ern unter dem Namen “Loc Bloc”. Auch die Handelskette Sears verkaufte Diablocks in ihren Geschäften. Allerdings unter der Marke “Brix Blox”.

Noch heute ist Kawada auf dem Klemmbausteinmarkt vertreten. Vor allem mit ihren Nanoblocks, die deutlich kleiner sind als Steine von Lego im 8mm Rastermaß.

Steine hinter dem Eisernen Vorhang.

Klemmbausteine aus Deutschland. Hier entwickelt und produziert. Und das bereits seit 1955. Zumindest wer in der DDR aufgewachsen ist, dürfte sie vielleicht noch kennen, die beiden Klemmbausteinmarken PEBE und FORMO.

PEBE
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Bereits 1955 gründete Paul Bernhardt in Bad Kösen den nach ihm benannten Kunststoff verarbeitenden Betrieb. Der Name für die eigene Klemmbausteinlinie, PEBE, leitete sich von den Initialen des Firmengründers ab. Von 1960 an exportierte das Unternehmen seine Steine in Länder ganz Europas, auch im Westen. Die PEBE-Steine waren weitestgehend mit den Steinen von Lego kompatibel.
Nach der Verstaatlichung 1972 wurde aus der Firma Paul Bernhardt der VEB Plastica Bad Kösen.

Aufgrund der Kompatibilität beider Systeme verklagte Lego 1974 den VEB Plastica auf Unterlassung. PEBE Klemmbausteine im klassischen 8mm Rastermaß konnten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in das westliche Ausland exportiert werden. Als kurzfristige Reaktion erweiterte der VEB Plastica sein Spielwarensortiment und dehnte den Export in sozialistische Staaten wie die UdSSR oder Jugoslawien aus.

Im Jahr 1978 führte das Unternehmen zusätzlich eine Klemmbausteinlinie im 5mm Rastermaß ein. Drei Jahre später wurde der VEB Plastica in das Kombinat Chemie und Plastverarbeitung Halle integriert.

Um wieder den gesamten Weltmarkt bedienen zu können, wurde 1984 das neue Klemmbausteinsystem PEBE 2000 eingeführt. Es basierte auf dem 8mm Rastermaß. Allerdings war es nicht mit den alten Steinen von PEPE kompatibel, somit auch nicht mit den Steinen von Lego. Dadurch war das neue System weltweit rechtssicher und konnte ein Jahr später sogar international zum Patent angemeldet werden.
Im gleichen Jahr wechselte ein weiteres Mal der Name des Unternehmens, diesmal zu VEB Chemische Fabrik Bad Kösen.

In der Folgezeit konzentrierte sich der volkseigene Betrieb in Bad Kösen ganz auf die Klemmbausteinlinie PEPE 2000. Die Klemmbausteine mit dem Rastermaß 5mm wurden in die Chemische Fabrik Köthen ausgelagert.

Nach der Wende wurde das Unternehmen reprivatisiert und in zwei Bereiche gegliedert. Es entstand die PEBE Kunststoff-Verarbeitung GmbH für Entwicklung, Marketing und Vertrieb. Die Produktion ging in die Bernhardt Kunststofftechnik GmbH. Der anfängliche Erfolg, trotz Wegfall vieler Exportmärkte in den ehemaligen Ostblockstaaten, konnte leider nicht nachhaltig gesichert werden. Vor allem steigender Preisdruck durch die Konkurrenz aus Fernost führte 1996 zur Insolvenz und schließlich zur Unternehmensauflösung.

Von 2000 bis 2005 wurde noch einmal der erfolglose Versuch unternommen, die Traditionsmarke PEBE mit der PEBE GmbH u. Co KG wieder aufleben zu lassen.

FORMO
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Der zweite Klemmbausteinhersteller der DDR war die 1958 von Werner Wind gegründete Firma Gothaer Kunststoffverarbeitung W. u. H. Wind. Vom Firmengründer wurde hier das anfänglich noch “Plasteck” genannte FORMO-System entwickelt. Es war weder mit PEBE noch mit Lego kompatibel. Neben den Platten gab es die Steine in ganzer und halber Höhe. Dazu kamen Fenster, Türen und Dachziegel in mehreren Variationen.

In den 60ern des letzten Jahrhunderts wurde das Unternehmen verstaatlicht und in den VEB Gothaer Kunststoffverarbeitung umbenannt. Der Volkseigene Betrieb überstand die Wende 1990 nicht. Allerdings gab es 2003 den Versuch, das FORMO-System wieder auf den Markt zu bringen. Doch 2011 wurde die Gothaer Kunststofftechnik schlussendlich abgewickelt und alle Firmengebäude abgerissen.

Dass man heute immer noch neue FORMO-Steine bekommen kann, liegt an einem ehemaligen Mitarbeiter, der einen großen Teil der Spritzgusswerkzeuge erworben hatte. Die Marke FORMO wurde in der Folge wieder eingetragen und ist geschützt. Nach Bedarf werden in der Nähe von Gothar noch heute die Steine mit den alten Spritzgussformen gefertigt.